Gesetzliche und privatrechtliche Rahmenbedingungen des Saatgutsektors  


Das Saatgutrecht blickt auf eine lange Entwicklung zurück. 1907 entstand die erste Grundregel für die Saatenanerkennung, die ständig weiter modernisiert wurde. Sie diente als Grundlage für das 1953 erlassene Saatgutgesetz, dessen damalige Grundsätze für Feldbesichtigung, Saatgutuntersuchung, Anerkennung und Saatgutverkehrskontrolle sich in der heutigen Gesetzgebung wieder finden. Das Saatgutgesetz war gut lesbar und für jedermann verständlich, es kam mit 12 Seiten Text aus (heute umfasst das Saatgutverkehrsgesetz 57 Seiten!).  


Die Anforderungen an die Feldbestände und die Saatgutqualität waren damals teilweise strenger als in den späteren EG-Regelungen. Es gab aber einige wesentliche grundsätzliche Unterschiede gegenüber heute: das Ziehen und Einsenden der Proben für die Saatgutuntersuchung lag in der Verantwortung der Aufbereiter, die Etiketten stellten die Züchter individuell für ihre Sorten her (man wusste sofort, was von wem kam!), die Anerkennung der Partien war zeitlich befristet.  


1968 setzte dann das Saatgutverkehrsgesetz die EWG-Saatgutrichtlinien in nationales Recht um. Wir mussten uns an umfangreiche, juristisch „durchgestylte" Vorschriften gewöhnen, z. B. an neue Kategoriebegriffe, neue Etiketten, neue Normen.  


Neu war vor allem auch, dass die Proben für die Saatgutuntersuchung nunmehr amtlich gezogen werden mussten. Es ist das Verdienst des damaligen Geschäftsführers, Herrn Eckhoff, durch die Schulung und Verpflichtung von Mitarbeitern der Aufbereitungsbetriebe hierfür ein einfaches, kostengünstiges Verfahren etabliert zu haben. Diese „private" Probenahme stieß über viele Jahre in anderen Regionen auf erhebliche Kritik. Es zeigte sich aber bald, dass sie den Vergleich mit „amtlicheren" Vorgehensweisen nicht zu scheuen braucht. Der Einsatz solcher verpflichteter Probenehmer ist heute aus der Organisation vieler Anerkennungsstellen nicht wegzudenken.  


Die Entwicklung zu immer umfangreicheren, detaillierteren, von der EU vorgegebenen schwer lesbaren gesetzlichen Vorschriften hielt leider bis heute an und wird sich wohl auch künftig fortsetzen. Beste Beispiele aus jüngster Zeit sind die wenig praktikablen Voraussetzungen für die „private Feldbesichtigung", für die „private Laboruntersuchung", für das Herstellen von Saatgutmischungen. Es werden deutlich Vereinfachungen gefordert, um diese an sich guten Ansätze praktikabel zu machen, insgesamt eine stärkere Eigenverantwortung der Aufbereiter.  


1997 erfolgte eine weitere grundlegende rechtliche Änderung, dieses Mal im Bereich des Sortenschutzes. Die Abschaffung des „Landwirteprivilegs" rief von Anbeginn der Erörterungen an starke Emotionen aus dem Berufsstand hervor, die bis heute nachwirken und ihren Ausdruck in langwierigen juristischen Auseinandersetzungen bis hin zum Europäischen Gerichtshof finden. Das Kooperationsmodell zur Umsetzung der Nachbauerlaubnis kehrte den Trend zur verstärkten Verwendung des eigenen Ernteguts als Saatgut um, konnte die Erwartungen der Saatgutwirtschaft an einen Saatgutwechsel über 50 - 60 % hinaus aber nur zum Teil erfüllen.  


Die Änderung des Sortenschutzgesetzes räumt den Züchtern ein umfassendes Auskunfts- und Prüfrecht bei ihren Vertragspartnern ein. Es findet seinen Ausdruck im Aufbereitungslizenz-Vertrag. Die damit verbundenen Aufzeichnungspflichten stellen eine erhebliche Zeit- und Kostenbelastung für kleinere Betriebe und Selbstaufbereiter dar, abgesehen vom immer größer werdenden Formalismus.  


Insgesamt bleibt leider festzustellen, dass die früheren Regelungen, die auf einem gewissen Vertrauensverhältnis beruhten, immer mehr durch Paragraphen ersetzt werden. Es ist zu bedauern, dass die Ordnung auf dem Saatgutsektor offenbar nur durch immer weitergehende Auflagen und Strafandrohungen aufrecht erhalten oder herbeigeführt werden kann.

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